Was ist Zirkuspädagogik? Ein allgemeiner Überblick

Zirkuskunst | 22. Januar 2025

Der Zirkus fasziniert nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene. Mit scheinbar übermenschlichen Wundern, Magie und Ästhetik wird das Publikum in den Bann gezogen. Zirkus entführt in eine andere Welt. Er entführt uns in eine Welt, die uns berührt und verzaubert, und in der das scheinbar Unmögliche, plötzlich möglich wird. Die Gesetze der Physik und das, was für Menschen möglich ist, scheinen hier anderen Regeln zu folgen. Der Zirkus lädt ein in einen Raum der Wunder und Geschichten, der Vielfalt und Innovationen.

Was aber ist Zirkuspädagogik? Das werde ich immer wieder gefragt, wenn ich die übliche Frage: „Und, was machst du so?“ mit „Ich arbeite als Zirkuspädagogin“ beantworte. Deshalb soll dieser Blogartikel einen Einblick in die Zirkuspädagogik geben. Du findest hier keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern einen allgemeinen Überblick, wovon bei Zirkuspädagogik die Rede ist, falls du bisher noch nie oder wenig davon gehört hast.


Was ist Zirkus? Unterschiede zwischen zeitgenössischem Zirkus und traditionellem Zirkus

Das Bild der traditionellen Zirkuskunst haben wohl die meisten Menschen als erstes im Kopf, wenn sie an den Zirkus denken: Der Reisezirkus mit bunten Zirkuswägen, Zirkuszelten, Popcorn, Sägespänen, dem (!) Zirkusdirektor, und Raubtierdressuren. Dabei gibt es seit den 70er Jahren eine neue Bewegung, die weg vom Sensationszirkus geht.

Zeitgenössischer Zirkus, oder auch „Neuer Zirkus“ oder „Cirque Nouveau“, nennt man die Neuentwicklung der Zirkusszene. Sie verbindet bekannte Zirkustechniken wie Jonglage, Akrobatik oder Balance mit Elementen aus dem Theater, dem Tanz und anderen Kunstformen. Es geht dabei nicht mehr vorrangig um artistische Höchstleistungen und Sensationen, die gezeigt werden, sondern vielmehr um den künstlerischen Ausdruck, Geschichten, die erzählt werden, und kreative Innovationen.

Im Neuen Zirkus werden Geschichten gezeigt und gesellschaftliche Themen wie zum Beispiel Rollenbilder hinterfragt. Es werden digitale Technologien genutzt und mit dem Publikum interagiert. Klassische Tierdressuren wie die Löwennummer, die damals in jede Zirkusshow gehörten, sind im zeitgenössischen Zirkus nicht mehr zu finden.

Neuer Zirkus findet auch außerhalb der Zirkuszelte statt, nämlich an allen erdenklichen Orten. Beispielsweise in Theatern, Museen oder in der Natur. Der zeitgenössische Zirkus ist eine sehr bunte, vielfältige und experimentierfreudige Kunstform.


Was ist Zirkuspädagogik und wie ist sie entstanden?

Oft höre ich: „Theaterpädagogik, das kennt man noch irgendwie, aber Zirkuspädagogik – hab ich noch nie gehört. Spannend, und was ist das?“ Hier kommt eine zusammenfassende Antwort.

Kurz gesagt: Zirkuspädagogik verbindet Methoden aus der Pädagogik mit der Vermittlung von verschiedenen Zirkuskünsten. Neben dem künstlerischen und kreativen Aspekt werden die teilnehmenden Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in ihrer körperlichen, persönlichen, und sozialen Entwicklung unterstützt.

Die Zirkuspädagogik etabliert sich seit den 1990ern in Deutschland immer mehr als eigenständiges pädagogisches Feld, so wie beispielsweise die Theater- oder Erlebnispädagogik auch. In anderen Ländern wie Frankreich ist die Zirkuspädagogik schon viel länger etabliert.


Was ist Zirkuspädagogik nicht?

Worum es bei der Zirkuspädagogik nicht geht, ist: Leistung, Disziplin und Ordnung. Zirkus ist kein Leistungssport, und es gibt keinen Wettkampfcharakter wie beispielsweise im Turnverein. In zirkuspädagogischen Angeboten wird nicht vorrangig darauf fokussiert, leistungsstarke Artist:innen auszubilden. Die persönliche Entwicklung, das Miteinander, die Freude am Zirkus und Kreativität stehen immer vor der artistischen Leistung.

Auf einer Frühlingswiese steht ein Koffer an dem ein buntes Schild hängt, auf diesem steht "Zirkus". Im Koffer und drum herum stehen und liegen Zirkusrequisiten: Keulen, Jonglierteller, Jongliertücher, Bälle, Ringe, ein Hula Hoop, ein Diabolo und ein Rola Bola.


Die verschiedenen Zirkustechniken in der Zirkuspädagogik

In der Zirkuspädagogik gibt es viele verschiedene Zirkustechniken. Sie werden oft auch „Zirkusdisziplinen“, „Zirkuskünste“ oder anders genannt. Innerhalb dieser Bewegungsformen gibt es wiederum Differenzierungen.

Das ist wie beim Tanz, bei dem es nicht nur DEN Tanz gibt, sondern verschiedene Tanzstile wie Jazz Dance, Modern Dance, und so weiter. Hier findest du eine Auflistung der verschiedenen Zirkuskünste:

  • Akrobatik: dazu gehört z. B.: Gruppen-, Partner- und Soloakrobatik, Sprungakrobatik, wie Trampolinspringen
  • Luftakrobatik: dazu gehört z. B.: Trapez, Vertikaltuch, Seil, Luftring
  • Balance: dazu gehört z. B.: Laufkugel, Rola Bola, Drahtseil, Hochseil, Schlappseil, Stelzenlaufen, Einradfahren
  • Jonglage: dazu gehört z. B.: Tücher, Bälle, Keulen, Ringe, Poi, Hula Hoop, Diabolo, Flowerstick, Devil-Stick
  • Tanz: dazu gehört z. B.: Breakdance, zeitgenössischer Tanz, Tanzakrobatik
  • Clownerie
  • Zauberei
  • Feuerspiel und Fakir


Was bewirkt Zirkuspädagogik?

So vielfältig und bunt die Zirkuspädagogik ist, so vielfältig ist auch ihre Wirkungsweise. Sie fördert eine Vielzahl an Kompetenzen und Fähigkeiten:

  • Soziale Kompetenzen: wie Teamfähigkeit und ein respektvoller, toleranter Umgang miteinander, kommunikative Fähigkeiten, und Konfliktfähigkeit.
  • Emotionale Kompetenzen: Das bedeutet zum Beispiel, mit eigenen Gefühlen wie Frustration, Angst oder Wut einen Umgang zu finden und Empathie für andere zu entwickeln.
  • Kognitive Kompetenzen: Hier geht es zum Beispiel darum, die eigene Aufmerksamkeit zu stärken, Problemlösungsstrategien zu entwickeln, das Gedächtnis zu trainieren und räumliches Denken zu schulen.
  • Persönliche Kompetenzen: Dieses Kompetenzspektrum schließt zum Beispiel das Selbstwirksamkeitsgefühl und Selbstbewusstsein ein. Zirkuspädagogik fördert aber auch Resilienz, Flexibilität, und Eigenverantwortung.
  • Beziehung zum eigenen Körper: Im Zirkus werden motorische Fähigkeiten wie Balance, Kraft, Koordination und Flexibilität geschult. Genauso sind eine liebevolle Beziehung zum Körper und eine gute Körperwahrnehmung das Ziel.
  • Kreativität: Der spielerische und künstlerische Ansatz fördert die kreativen Fähigkeiten und zahlt damit auf die Problemlösungsfähigkeit eines Menschen ein.
  • Entspannung: Die Bewegung im Zirkus hilft dabei, von belastenden Gedanken abzulenken und den Kopf freizukriegen. Durch die Bewegung im Zirkus werden außerdem, wie bei anderen Sportarten, Endorphine freigesetzt, die zum Wohlbefinden und zur Stressreduktion beitragen.


Für wen ist Zirkuspädagogik?

Was ganz klar ist: Um selbst Zirkus zu machen, ist man nie zu jung oder zu alt, zu dick oder zu dünn, zu unsportlich, oder zu anders. Zirkuspädagogik ist Offenheit und Vielfalt pur. Deshalb ist Zirkus auch für alle Altersgruppen geeignet.

Kurzer Exkurs: Ich hatte schon Omis in meinen Offline-Angeboten, die ihre Zirkuslust entdeckt und dann zu Hause weitergemacht haben, bis sie mit drei Bällen jonglieren und Teller drehen konnten. Aber auch für die Jüngsten ist Zirkus was: Unsere Tochter hat mit 2 Jahren von sich aus angefangen, ihre ersten Vorwärtsrollen, Handstände ,und Hula-Hoop-Tricks zu üben.

Zirkuspädagogik kann aber auch gezielt Personengruppen ansprechen und ausgewählte Ziele oder einen bestimmten Fokus verfolgen. Diese Ausrichtungen sind genauso vielfältig wie der Zirkus selbst. Hier findest du ein paar ausgewählte Beispiele:

  • Zirkuspädagogik kann Inklusion als Ziel verfolgen, wie zum Beispiel das Zentrum für bewegte Kunst, bei dem auch ich mehrere Jahre als Trainerin tätig war.
  • Zirkus kann für interkulturellen Austausch stehen, wie zum Beispiel das Berliner Projekt Beyond Borders.
  • Auch therapiebegleitend wird die Zirkuspädagogik genutzt. ALEGRIA in Berlin verfolgt einen zirkustherapeutischen Ansatz.
  • Zirkus wird zur Sucht- und Gewaltprävention eingesetzt.
  • Es gibt zirkuspädagogische Projekte in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, z. B. in der Villa Leipzig.
  • Es gibt einige zirkuspädagogische Bildungsangebote für Schul- und Kita-Kinder.
  • Auch natur- und umweltpädagogische Ziele, wie der Natur- und Umweltzirkus in Dreiskau-Muckern sie verfolgt, können Teil der Zirkuspädagogik sein.
  • Zirkuspädagogik wird auch als teambildende Maßnahme angeboten.
  • Familienbildung und die persönliche Entwicklung von Erwachsenen kann ebenfalls der Fokus zirkuspädagogischer Angebote sein.
Eine vertrocknete Wiese auf bunte Zirkusmaterialien zu sehen sind. Vorne links ein kleines Zirkuszelt zum spielen, blau-gelbe Puzzlematten auf denen eine Drahtseilanlage steht und eine rote Laufkugel. In der Mitte des Bildes ist eine Kiste mit kleineren Requisiten und Hula Hoops.


Zirkuspädagogik in verschiedenen Formaten

Genauso vielfältig wie die Ziele der Zirkuspädagogik und die Fachrichtung an sich ist, so findet sie auch in verschiedenen Formaten statt. Zirkus wird zum Beispiel häufig als mehrtägiges Projekt, als fortlaufender wöchentlicher Kurs, Workshop oder als mehrstündige Mitmachaktion angeboten.


Methoden in der Zirkuspädagogik

In zirkuspädagogischen Angeboten werden nicht nur die verschiedenen Zirkuskünste vermittelt. Die Zirkuspädagogik beinhaltet neben dem Techniktraining oft auch:

  • Spiele
  • Krafttraining
  • Stretching
  • Körperwahrnehmungsübungen
  • Entspannungsübungen
  • Freies Training
  • Selbstreflexion
  • Improvisation
  • Nummern- und Showentwicklung


Gibt es immer eine Aufführung?

Nicht in jedem Zirkusangebot gibt es am Ende, als krönenden Abschluss, eine Aufführung, in der das Gelernte präsentiert wird. Es gibt auch zirkuspädagogische Angebote, die bewusst keine Präsentation anvisieren, um beispielsweise möglichst wenig Leistungsdruck zu erzeugen.

Was für eine Abschlusspräsentation oder Show am Ende eines zirkuspädagogischen Angebotes spricht: Man kann das Gelernte vor anderen Menschen zeigen und den Stolz auf die eigenen Fähigkeiten teilen.

Die Teilnehmenden haben mit der Show ein Ziel, das sie über längeren Zeitraum verfolgen, was die Motivation unterstützt.

Eine Aufführung ist das Highlight zum Abschluss und pusht das Selbstwirksamkeitsgefühl der Teilnehmenden. Mit dem Applaus des Publikums bekommen sie eine direkte, zusätzliche Anerkennung für das, was sie präsentieren.

Aber nicht nur die Show an sich, sondern auch der Weg bis zur Zirkusaufführung bietet reichlich Lernerfahrungen, an denen die Teilnehmenden gemeinsam und persönlich wachsen.


Ist das ein echter Beruf? Wie wird man Zirkuspädagog:in?

Oft werde ich (von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen) gefragt: „Ist das dein echter Beruf?“ – Ja. Zirkuspädagog:in ist mein echter Beruf, genauso wie es übrigens staatlich anerkannte Clowns gibt.

„Zirkuspädagog:in“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung, was bedeutet, dass sich im Prinzip jede:r so nennen kann, auch wenn er/sie keine entsprechenden Aus- und Weiterbildungen gemacht hat. Umfassend ausgebildete und/oder erfahrene Zirkuspädagog:innen können sich aber anerkennen lassen.

Es gibt die Anerkennung über die Bundesarbeitsgemeinschaft Zirkuspädagogik (kurz: BAG Zirkuspädagogik). Dafür müssen Zertifikate und Nachweise bei der BAG eingereicht werden, in denen ersichtlich wird, dass man im Bereich Pädagogik, und Artistik genügend Kompetenzen und/oder Berufserfahrung gesammelt hat. Eine gewisse Anzahl an Punkten und Stunden entscheidet darüber, ob man als Zirkuspädagog:in anerkannt wird oder nicht.

Mein Weg ging erst über das Studium der Sozialen Arbeit (B.A.) und anschließend habe ich in der Circus Akademie Berlin eine einjährige Vollzeitweiterbildung zur Zirkuspädagogin gemacht. Die Anerkennung der BAG habe ich mir ein paar Jahre später als Goodie geholt, weil bis dato kaum jemanden interessiert hat, ob man die BAG-Anerkennung hat oder nicht.

Es gibt in Deutschland mittlerweile einige unterschiedlich lange Aus- und Weiterbildungen zum/zur Zirkustrainer:in und Zirkuspädagog:in.


Fazit

Die Zirkuspädagogik schafft eine Verbindung zwischen Kunst, Bewegung und Pädagogik, die weit über das Erlernen von Zirkustechniken hinaus geht.

Sie ist ein vielfältiges Feld, in dem unterschiedlichste Menschen auf verschiedenen Ebenen an sich und anderen wachsen und sich selbst entfalten können. Menschen jeder Altersgruppe können dabei ihre Kreativität ausleben, persönliche Stärken entdecken und eine Vielzahl an Kompetenzen entwickeln.

Mit ihrer Vielfalt und Offenheit inspiriert die Zirkuspädagogik nicht nur die Teilnehmenden, sondern auch Zuschauende und begleitende Personen. Zirkuspädagogik zeigt eindrucksvoll, dass Lernen und Wachsen spielerisch, kreativ und ohne Leistungsdruck möglich ist – und dabei auch noch jede Menge Freude bereiten kann.

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